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Wochenendrebellen

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#21 Princess liebt den 1.FC Köln

Ich bin nicht sicher, ob der Aufruf vom Wochenendrebell noch aktuell ist. Für seinen autistischen Sohn ist er auf der Suche nach dem richtigen Fussballverein und fragt daher nach den Gründen, warum man selber einen bestimmten Fussballverein als den eigenen Verein ausgewählt hat.  Eine Aktion, die es ganz bestimmt zu unterstützen gilt. Ich bin selber noch nicht allzu lange Fussballfan und kann mich noch sehr gut an die Anfänge meiner Fanzeit erinnern. Und deswegen erzähle ich jetzt einfach, wie ich eigentlich Fan vom 1. FC Köln geworden bin.
Aber zunächst noch eins vorweg: Als Erstes habe ich im Zusammenhang mit Fussball gelernt, dass man sich einen Fussballverein nicht aussucht, sondern umgekehrt. Zumindest in meinem Fall kann ich das bestätigen, denn auch wenn ich in Köln wohne, was gerade Stadionbesuche doch ungemein erleichtert, wäre mir an manchen Tagen ein erfolgreicherer Verein doch deutlich lieber gewesen. Nun gut.
Bis vor wenigen Jahren hatte ich überhaupt nichts mit Fussball am Hut. Ok ok, die WM in Deutschland hat auch mich nicht ganz kalt gelassen, ein paar Mal Public Viewing, Mitfiebern bei den Spielen der Nationalmannschaft, eine spürbare Enttäuschung, als es letztendlich doch nicht fürs Finale reichte und mein erster Stadionbesuch in Stuttgart beim Spiel um den 3. Platz, der mir schon als besonderes Event im Gedächtnis geblieben ist. Aber das war es dann auch schon.
Bis mich @jweck zu einer Führung ins Kölner Rheinenergiestadion einlud. Weniger am Sport als an der Aussicht auf einen unterhaltsamen Nachmittag interessiert, sagte ich zu und zusammen machten wir uns mit @davednb auf den Weg nach Müngersdorf. Ich erinnere mich noch, dass ich leicht entnervtes Augenrollen erntete, weil ich Hennes in einem Anfall totaler Ignoranz als Ziege bezeichnete. Es sollte das letzte Mal sein.
Der Nachmittag im Stadion war tatsächlich sehr kurzweilig, ich unterhielt mich gut. Wahrscheinlich wäre es dabei auch geblieben, ich hätte einen angenehmen Nachmittag verbracht und damit wäre für mich der kurze Abstecher in die Fussballwelt auch schon wieder vorbei gewesen. Bis zu dem Moment, als uns unser Guide in die Katakomben führte und von dort durch den Spielereingang aufs Feld laufen ließ. Und dabei Fangesänge abspielte. Und obwohl die Ränge draußen im Stadion leer waren, bekam ich allein bei der Vorstellung eines gefüllten Stadions und dieser Geräuschkulisse eine Gänsehaut.
In dem Moment war klar:
„Das will ich auch mal in einem vollen Stadion erleben!“
Meine zwei Begleiter nahmen meinen Auftrag sehr ernst und prompt saß ich bei nächster Gelegenheit mit ihnen im Stadion, ich glaube, der Gegner war Freiburg und der FC spielte damals noch in der 1. Liga. Ich erinnere mich, es war im Ostrang, so ziemlich die langweiligste Ecke des Stadions, und schon damals schielte ich neidisch zur Südkurve.
Ein paar Anmerkungen zu meinem 1. FC-Spiel habe ich damals einem Freund geschrieben, erntete damit aber lediglich Kopfschütteln:
Ich trug J . s FC-Schal. Er meinte, er sei mit dem Herzen dabei, daher war klar, dass ich den Schal bekomme – mir fehlt diese Verbundenheit ja noch. Ich hab eine Currywurst gegessen, der einfachste Part bei der ganzen Aktion für mich. Ich hab zur FC-Hymne mitgesungen, obwohl ich sie nicht kannte, aber die Melodie ist ähnlich wie ‘My oh my’ von Slade aus den 80ern, so dass ich mich daran orientieren konnte. Und die paar Abweichungen hat bei der Geräuschkulisse ohnehin keiner bemerkt. Ich habe den Schal sogar in die Luft gehalten, bin immer fleißig aufgestanden und hab bei jeder Welle mitgemacht.
Ich hab die ganze Zeit Daumen gedrückt und meine Prognose war vielversprechend – Köln schießt das 1. Tor und gewinnt. Ich hab also alles mir mögliche getan. Und was macht der FC? Er spielt – selbst für einen Laien erkennbar – so grottig, dass es gerade mal für ein Unentschieden reicht und macht mir damit meine gute Prognose kaputt.

Ich bin ja kein Fussballexperte, aber das Grundprinzip meinte ich bis gestern verstanden zu haben: Es gibt die rote Mannschaft und es gibt die weiße und jede Mannschaft versucht, den Ball in ihrem Besitz zu halten und ein Tor zu schießen. Warum sich die Roten und die Weißen gestern dauernd gegenseitig den Ball zugekickt haben, habe ich nicht verstanden.  
Ich habe zwar mitbekommen, dass vier Tore fielen, aber frag mich nicht, wer sie geschossen hat. Mir fiel stattdessen die sehr taktlose Bandenwerbung direkt neben dem armen Hennes auf: ‘Köstlichkeiten aus Fleisch’. Und dass gelbe Schuhe super zu einem weißen Trikot passen, aber überhaupt nicht zu einem roten. Ich hab mir die Fans in der Südkurve angeschaut, die mit einer unglaublich ansteckenden Begeisterung bei der Sache waren. Und wären gerne mittendrin gewesen.

Phasenweise kam ich mir ein wenig vor wie in der Kirche, wo ich auch nie weiß, was man als Nächstes machen muss, so mit Aufstehen und so, und wo ich mich einfach immer an den Leuten um mich herum orientiere. Beim Fussball muss man dabei allerdings ein bißchen aufpassen, weil ja auch gegnerische Fans um einen herumsitzen. Das könnte schon mal schiefgehen.
Ich war überrascht, wie viele Kinder dabei waren und habe mir mal die Zwerge um mich herum angesehen. Den kleinen Jungen vor mir, der mit einer knapp an eine Muskelzerrung grenzenden Hingabe seine Fahne schwenkte, so dass man ständig aufpassen musste, sie nicht an den Kopf zu bekommen. Und der in 10-15 Jahren mit Sicherheit unten in der Südkurve steht. Oder das kleine Mädel vor mir, dass irgendwann (wahrscheinlich vor lauter Langeweile) ein lilafarbenes Wollknäuel aus der Tasche zog und zu häkeln anfing. Deren Zukunft sehe ich nicht in der Südkurve.

Nun gut, das war mein 1. Spiel. Seitdem hat sich einiges verändert, mittlerweile nehme ich mein Fan-Sein sehr ernst. Und habe dem FC auch nach dem Abstieg die Treue gehalten, es hat sich einfach so entwickelt. Wenn man einmal ein gelungenes Spiel – und die gab es auch – gesehen und die Atmosphäre im Stadion bei einem Tor erlebt hat, ist weniger auf keinen Fall mehr drin. Ich beherrsche die Hymne, ich habe meinen eigenen Schal (nicht den rosa Mädchenschal, den ich mal geschenkt bekommen habe, sondern einen richtigen in rut wiss) und bin bei jedem Spiel im Stadion dabei. Mittlerweile sogar unter vereinfachten Bedingungen, denn seit dem letzten Abstieg bin ich im Besitz einer Dauerkarte. Nordtribüne. Nicht ganz so cool wie die Südkurve, aber immerhin. Ich verstehe die Struktur eines Fussballspiels langsam immer besser, ein schönes Tor erkenne ich natürlich auch. Manchmal verpasse ich einen Spielzug, weil ich zwischendurch eben doch gelegentlich plappern muss. Den Satz “Was war denn jetzt?” kann man eigentlich in jedem Spiel mal von mir hören. Und ich kann durchaus auch mal zu Beginn eines Spiels die Frage stellen, gegen wen wir eigentlich spielen. Da bin ich nicht immer richtig vorbereitet, aber der gegnerische Verein interessiert mich in der Regel auch nicht besonders. Ich schaue mir ein Spiel nach wie vor etwas anders an, als meine beiden männlichen Begleiter. Aber nicht mit weniger Enthusiasmus. Und ich esse immer noch Currywurst, trotz geschmackloser Bandenwerbung.
Kommen wir zum Schluss noch einmal auf die Ausgangsfrage zurück, warum ich Fan des 1. FC Köln geworden bin. Einfache Antwort: Warum denn nicht, er ist doch einfach der genialste Fussballverein überhaupt?
Und natürlich hat auch er hier mit seinen schönen braunen Augen einen Teil dazu beigetragen:
effzeh
Ja, ich freue mich auch über Post von Fans von Mannschaften, die ähm, ….
Ich freue mich wirklich. Zumal die Briefe bisher überwiegend männlicher Herkunft sind.
Also quasi Doppeldank an Princess_cgn, die ihr hier auf Twitter findet.
Einige Im(i)Pressionen findet Ihr auch in Ihrem Blog, wo sie den aufgeführten Artikel auch bereits veröffentlichte.
Besten Dank und Gruß nach Köln!
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