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#23 Martin liebt den VfB Stuttgart

Hallo Jay-Jay,

bei vielen Fans sind es ja die Väter, die ihre Söhne zum Fußball und zu
ihrem Verein bringen. In jungen Jahren wird der Nachwuchs schon auf den
Verein eingeschwört und so bald er halbwegs gerade aus schauen kann
steht der erste Stadionbesuch an. So eine klassische Geschichte kann ich
dir leider nicht bieten. Bei mir kam die Liebe zum Verein anders.

Ganz kurz zu mir, ich bin Martin und 37 Jahre alt und einige Kilometer
ausserhalb von Stuttgart aufgewachsen, in einem kleinen „Städle“.

Mein Vater ist so ziemlich vermutlich genau das Gegenstück zu dem, wie
man sich einen begeisterten Fußballfan vorstellt. Noch heute lässt er
keine Chance aus, sich zu beschweren, dass das mit Sport nichts zu tun
hat und die alle viel zu viel Geld verdienen. Als Höchstes der Gefühle
lässt er gerade noch die Stuttgarter Kickers durchgehen. Wie also bin
ich zu meinem Verein, dem VfB Stuttgart gekommen. Ich habe noch zwei
ältere Brüder, die sich schon so ein bisschen für den Fußball
interessierten und auch mit dem VfB sympathisierten. Mehr war es nicht
wirklich. Ich war also fußballtechnisch der totale Außenseiter in der
Familie und keiner kann sich erklären wie es passiert ist und woher ich
es habe. Man sagt oft, der Verein wird einem gegeben. Bei mir scheint
das wirklich der Fall gewesen zu sein. Der VfB war auf einmal und seit
ich mich erinnern kann da und einer der wichtigsten Elemente in meinem
Leben. Hört sich ungewöhnlich an, aber es war wirklich so, dass – wer
auch immer es war – mir den VfB als den Verein meines Herzens gegeben
hat. Vielleicht war es ein Virus mit dem ich mich in Stuttgart in der
Königsstraße angesteckt habe. Wer immer mir meinen Verein gegeben hat,
ich bin ihm dankbar ohne Ende.

Jahrelang bin ich samstags vor dem Radio gehangen, habe mitgefiebert,
geweint, gejubelt. Aber ich hatte niemanden, der mich – so typisch
Vater-Sohn-mäßig mit ins Stadion genommen hätte. Aber wie kommt man da
als kleiner Junge hin…

Meine Oma hatte im April oder irgendwann im Frühling Geburtstag und
wohnte in Fellbach, in der Nähe von Stuttgart. Pflichtbesuch. Mein Vater
versprach mir eine Überraschung. Geburtstage von Omas sind ja selten für
große Überraschungsmomente gut. Nach dem Mittagsessen gab es dann aber
wirklich eine Überraschung. Mein Onkel Heinz, der eben im Gegensatz zu
meinem Vater VfB-Fan ist, hatte die Überraschung. Es ging in Station.
Zum VfB. Gegen den Hamburger SV. Untertürkheimer Kurve, man wollte mich
wohl nicht gleich zu viel Lautstärke und Fans aussetzen. Und da stand
ich in diesem riesengroßen Stadion. Es war beeindruckend, groß,
fantastisch und ich aufgeregt, der erste Kuß war dagegen nicht halb so
spannend. Und das Spiel, perfekt für eine erste Partie im Stadion. 5:1
mit Toren von meinem Jugendhelden Karl Allgöwer. Und es hatte mich
gepackt, ich wollte auf die andere Seite, in die Cannstatter Kurven, wo
die Fahnen waren, wo es laut war. Ich wollt hier immer wieder hin.

Ich musste noch etwas älter werden, dass meine Eltern mich alleine und
mit ein paar Kumpels ins Stadion liesen. Mit dem Bus (halbe Stunde), der
S-Bahn (halbe Stunde) und nochmal S-Bahn ging es nach Bad Cannstatt.
Mittags um 12 ging es los, dass wir frühzeitig im Stadion waren und
einen Platz an der Stange im Stehblock bekamen. Das Neckarstadion war
seinerzeit noch nicht überdacht. Und dann standen wir da von 13 Uhr im
Nieselregen rum, haben eine ne beschissene 0:1 Niederlage gegen Gladbach
gesehen, ich war danach ne Woche krank. Meine Mutter hat es mir verboten
ins Stadion zu gehen. Ich bin trotzdem zum nächsten Heimspiel. Natürlich
gab es auch große Momente, wie die Saison 91/92 in der ich meine erste
richtige Meisterschaft miterleben und feiern durfte.

Viele Fanjahrekalegen dazwischen, mit guten und verdammt schlechten
Tagen. Champions League, Abstiegskampf, Meisterschaft, DFB-Pokalsieger.
Beim VfB ist immer von allem was dabei. Jede Saison eine Wundertüte.
Jedes Jahre neue Hoffnung, die oft enttäuscht, selten erfüllt wird. Aber
vielleicht deswegen liebe ich den Verein über alles und gehe immer
wieder hin, wie die Mücken ans Licht. Heimspiele, Auswärtsspiele auch in
Europa. Mein Verein hat mich nach Manchester, Barcelona und noch einige
andere Städte gebracht. Aber auch an den Rande der Verzweiflung – wie
diese Saison. Der Abstieg ist so Nahe wie nie und ich wache nachts auf
und überlege mir wie es sein wird, wenn wir nicht mehr in der ersten
Liga sind. Ich kann es mir nicht vorstellen.

Und ich hoffe ich kann die Vater-Sohn bzw. Vater-Tochter-Sache machen,
die mir mein Vater nicht geboten hatte, damit meine Kids später mal
wissen, wie sie zu ihrem VfB gekommen sind. Ich hoffe, sie werden meinen
Verein in der ersten Liga erleben. „Forza B“ (Forza VfB), konnte die
kleine Marlene schon immerhin mit zwei Jahren. Ich denke, ich bin auf
einem guten Weg.

Dir und deinem Dad wünsche ich noch viele geile Spiele im Stadion und
wenn ihr in Stuttgart seid, dann gebt Bescheid.

Viele Grüße,

Martin (@two_four_two)

Eine gute Woche für eine Story des VfB Stuttgart. Danke an Martin für den Einblick.

Martin findet ihr natürlich auch auf Twitter.

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