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#45 Stephen liebt den SV Werder Bremen

Lieber Jay-Jay,

Dein Papsi bat mich, an Eurem Projekt teilzunehmen und Dir zu schreiben, wie und warum ich 71217-sv-werder-bremenWerder-Fan geworden bin. Ich hoffe, meine Geschichte gefällt Dir. Weißt Du, ich bin seit nun etwas mehr als 2 Monaten selber Papa und frage mich, ob ich das Fan-Werden meines Sohnes später beeinflussen kann (was wahrscheinlich nur bedingt geht). Wir wohnen nämlich in Hamburg und da möchte ich ihn nicht an die dunkle Seite der Macht verlieren ;).

Jetzt habe ich mich noch gar nicht vorgestellt: ich bin Stephen, bin 36 Jahre alt, wohne derzeit in Hamburg und schreibe ab und an auf www.papierkugel.org über den SV Werder Bremen. Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Bremen, d.h. bei mir spielt die geografische Nähe zu Bremen sicher eine große Rolle bei der Fanwerdung, ebenso wie die Tatsache, dass der SVW damals als ich mit ihm erstmals bewusst in Berührung kam (Ende der 80er), eine ziemlich große Nummer im deutschen Fußball war. Ein bisschen bin ich also auch Erfolgs-Fan. Ich kann keinen wirklichen Moment der Fan-Werdung benennen, ein Spiel oder Spieler, das/der dafür sorgte, dass ich mich in den SVW verliebte. Aber ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Stadionbesuch und vielleicht ist das auch die Grundsteinlegung für meine grün-weiße Liebe. J

Mit zehn Jahren trat ich zusammen mit ein paar Freunden in die D-Jugend des FC Borstel ein, einem Stadtteil-Verein der kleinen aber feinen Reiterstadt Verden. Schnell wurde klar, dass mein fußballerisches Talent allenfalls überschaubar war und da ich auch nicht den Willen und die Leidensfähigkeit eines Uli Borowka mitbrachte, war mein Ausflug in den aktiven Fußball nur von kurzer Dauer, bevor ich mich dann dem Handball zuwandte (dem ich dann länger treu blieb). Im November 1989 fiel nicht nur die Mauer, sondern auch in meinem Leben sollte sich ein einschneidendes Erlebnis vollziehen: am 25.11. fuhren einige Jugendmannschaften des FC Borstel im Rahmen der Weihnachtsfeier ins Weserstadion, um sich hier ein Bundesliga-Spiel des SVW anzuschauen.

Zunächst mal gab es neben dem eigentlichen Spiel noch ein weiteres Highlight für mein elfjähriges Alter Ego, nämlich meinen ersten Besuch bei McDonald’s. Damals gab es in Verden noch keine Filliale des weltumspannenden Burgerimperiums und so wurde ich zum ersten Mal der Burger mit dem goldenen M habhaft. Ich weiß noch, wie ich angewidert die Gurken-Scheibe aus dem Burger fischte, nachdem ich nichtsahnend hineinbissen hatte. Ein Ritual, welches ich auch heute noch mit voller Inbrunst zelebriere, denn Burger ohne Gurke bestellen ist allenfalls etwas für Loser. Nach der Völlerei ging es dann weiter zum Stadion. Ich weiß noch, wie beeindruckt ich von diesem riesigen Gebäude war, welches dort am Weserdeich stand. Dazu noch die Masse an Menschen, der Lärm, die Kutten, die Bierbecher, die Fahnen, die Gesänge und das Flutlicht.

An das Spiel selbst habe ich kaum noch Erinnerungen. Ich weiß, dass es gegen den FC St. Pauli ging und Bremen das Spiel mit 2:1 gewinnen konnte. Und wenn ich mich recht entsinne müssen wir auf der Nord im Oberrang gesessen haben. Ich weiß noch, wie wir in einer größeren Gruppe während der Halbzeitpause durchs Stadion getigert sind. Beim Weg zurück haben wir rumgealbert und dabei habe ich ein Bier, was auf der Brüstung stand, runtergeschubst. Danach ging es mit hochrotem Kopf und unter dem Gepöbel des Bierbesitzers wieder ganz schnell zu den Plätzen. Ich bin mir sicher, dass jemand im Unterrang eine schöne Bierdusche abbekommen hat. Dafür entschuldige ich mich noch einmal nachträglich. War nicht böse gemeint.

Es sollte nach meiner Premiere noch ein bisschen dauern, bis ich das Weserstadion wieder besuchen würde. Ich kann mich an Spiele in den Jahren 92-94 erinnern, an Siege gegen Bayern und Dortmund. Aber auch an Tiefpunkte, wie das eine Spiel gegen Wattenscheid, für das ich von meinem Handballtrainer Freikarten erhalten hatte. Ich nahm meinen besten Freund mit und so standen wir bei strömendem Regen in der damals noch unüberdachten Ostkurve und sahen einem unglaublich miesen 0:0 zu. Und natürlich gibt es auch die absoluten Höhepunkte, wie bspw. das letzte Heimspiel der Saison 2003/04 mit der Überreichung der Meisterschale.

Und egal, wie oft ich da bin oder wer der jeweilige Gegner ist, jedesmal wenn ich in die Nähe des Stadions komme, spüre ich die gleiche leichte Aufregung und Vorfreude. Ich fahre in der Regel per Straßenbahn aus der Innenstadt Richtung Stadion und steige an der Haltestelle „St.-Jürgen-Straße“ aus, dann biege ich rechts in die Lüneburger Straße und am Ende komme ich auf den Osterdeich zu. Dann kann man einen ersten Blick aufs Weserstadion erhaschen, geht noch ein Stück oben am Deich und spürt, wie die Vorfreude immer mehr aufkommt. Auch 25 Jahre nach meinem ersten Stadionbesuch und vielleicht auch dem Moment, in dem ich Werder-Fan wurde, ist die Aufregung vor einem Heimspiel noch immer gleich.

Was mich am SVW seit den ersten Jahren bis heute besonders fasziniert, ist das Gefühl, dass hier die Uhren ein bisschen anders ticken, Stichwort: Werder-Familie. Ende der 80er und Anfang der 90er feierte man – als vergleichsweise kleiner Verein – große Erfolge und konnte so manches Mal die Großen der Liga ärgern. Das hatte etwas von den Galliern in ihrem kleinen Dorf. Von 2003 bis 2010 gab es ja noch einmal eine Phase, in denen an der Weser nicht nur toller, sondern auch erfolgreicher Fußball gespielt wurde und das mit verhältnismäßig schlechten Rahmenbedingungen im Vergleich zu anderen Clubs der Liga. Aber auch in schlechten Zeiten, die wir ja gerade durchleben, bleibt der Ton in Bremen meist nüchterner und sachlicher als anderswo. Natürlich ist Bremen keine Insel der Glückseligkeit, wo es keine Kritik gibt oder nicht auch mal Unmut über sportliche Leistungen geäußert wird, aber meist ist es hier weit weniger hysterisch als anderswo.

Lieber Jay, das war meine Geschichte über meine Fanwerdung und was ich am SVW so toll finde. In den vergangenen Wochen hast Du eine Menge verschiedener Geschichten lesen können und jede ist auf ihre Weise anders und einzigartig. Ich bin gespannt, welchem Verein Du am Ende zujubeln wirst und warum? Vielleicht merkst Du es gar nicht mal so richtig, dass Du gerade Fan eines Vereins wirst. Lass es einfach auf Dich zukommen und freu Dich noch auf viele Ausflüge mit Deinem Papsi und die vielen Stadien, die Du noch kennenlernen wirst.

Lebenslang Grün-Weiß!

Stephen

Vielen Dank an Stephen, den ihr auf Twitter genau hier finden könnt.

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