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Sightseeing Berlin

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Hertha BSC-Energie Cottbus, 19.05.2013

Sightseeing Berlin und der letzte Spieltag der Fußballbundesliga. Wir waren zu Gast bei der Berliner Hertha gegen Energie Cottbus.

Immer wenn ich auf unseren Reisen verunsichert bin ob, Sohnemann ein neues angekündigtes Wagnis doch zu sehr beschäftigt, ob ich ihn mit einer Neuerung oder einer bewusst kurzfristig geplanten Veränderung überfordere und einen Overload riskiere, frage ich ihn, ob alles klar ist.

Die oft erhaltene und bestmögliche Reaktion ist dann immer wenn er mich schelmisch grinsend anschaut: „Papsi, wie schaut es bei Dir aus? Kommst du klar damit?“ Er schreit mir auch schon einmal ins Gesicht, dass er natürlich klar kommt, was so ziemlich genau das Gegenteil bedeutet. Im Beisein von anderen nickt er auch schon einmal zustimmend, während seine Augen sagen: „Nicht gut!“

Mit der Zeit lernte ich zu erkennen, zu lesen, zu verstehen und mit mehr als den Ohren zuzuhören. 30 Jahre Lebenserfahrung, berufliche Mentoren, schulische Lehrer und wunderbare Eltern waren nicht in der Lage, mir beizubringen, was dieses kleine, manchmal nervtötende Scheusal von wunderbarem Kind mich gelehrt hat.

Dieser Teufelskerl hat mir in unserer gemeinsamen Zeit den Blick für das Wesentliche geschärft, simple Schönheit aufgezeigt und mir nahegelegt die großen Probleme meiner Welt zu relativieren. Sehr nahe.

Das klingt seltsam, selbstverständlich und zugleich logisch, auch weil das wohl jeder Papa über sein Kind sagen würde, aber ich empfinde eine sehr große, tiefe und aufrichtige Dankbarkeit, dass mein Sohn, so ist wie er ist. Kein aber.

Nach der Bahnhofsbesichtigung endlich an der U-Bahnstation Birkenstraße angekommen, erfragten wir den Weg zum Hotel Moa. Der nette Herr im heynckesken sehr hohen Alter holte ein wenig aus, um uns zu erklären, wie der Stadtteil Moabit zu seinem Namen gekommen ist (so behauptete er es zumindest, doch es war eine Lüge), um uns nach ca. dreiminütigem Monolog mitzuteilen, dass sich das Hotel 200 Meter weiter geradeaus befinde.

Nach Bezug des Hotels und dem unwirklich erscheinendem Studium des türkischen Bundesliga-Livetickers im Moabiter Dönerladen stürzten wir uns mit der gesamten Family ins Getümmel. Die Damen widmeten sich diversen Shoppingpalästen, die es anscheinend nur in Berlin gibt (H&M, Pimkie, Esprit,…), während mein Schwager und mein Dad in Anbetracht des guten Wetters gerne einfach bei einer Tasse Kaffee entspannen wollten.

Sohn hatte andere Pläne. Sightseeing war angesagt. Das Brandenburger Tor, die Mauer, das Hotel Adlon, der Reichstag, sein Sightseeing-Highlight, die U-Bahnstrecke zwischen Hbf und Bundestag und die Siegessäule wollten begutachtet werden.

Wir stürzten uns also in einen der Sightseeing-Busse und rauschten durch Berlin. Der Stadtführer versorgte uns fachmännisch und routiniert mit den entscheidenden Informationen rund um die Historie der Hauptstadt, sodass Sohnemann nun auch bildlich die Geschehnisse zum Mauerfall etwas besser einordnen konnte.

Seine Zusammenfassung der historischen Ereignisse: „Die fanden die Mauer nicht gut, also haben sie die weg gehauen. Warum haben die so lange damit gewartet? Oder haben die so lange dafür gebraucht? Aber egal. Hauptsache die Mauer ist weg.“

Die Thematik beschäftigte Ihn aber auch noch in der S-Bahn auf dem Weg ins Hotel. „Papsi, hast du auch: ‚Die Mauer muss weg! Die Mauer muss weg!‘ geschrien?“ Ich erklärte ihm mein damaliges Alter und meine persönliche Situation, aber er schien trotzdem etwas empört, dass ich nicht wenigstens diese Mauer mit weggehämmert habe. Wir hockten etwas platt im Untergeschoss des Bahnhofs Zoo auf unsere Bahn wartend als Sohnemann fragte, wie wir eigentlich morgen zu dem Radisson Blu Hotel kommen würden.

Ich hatte, obwohl wir bereits einmal das dortige Sealife wegen des Aufzugs ansteuerten, ein wenig verdrängt wo wir überhaupt hin müssen und antwortete ihm daher, dass ich dies noch in Erfahrung bringen müsse, weil ich es vergessen habe. „Wo wollense hin?“ fragte die Dame, die bezüglich ihres Alters nicht ganz Jupps Frau sein könnte, aber nah dran lag.

Ich erklärte ihr, dass wir zum Sealife wollen, womit sie nicht sofort etwas anfangen konnte. Als ich Ihr dann von der Anbindung zum Radisson Blu Hotel und dem dortigen Aquarienaufzug berichtete, wusste sie dies besser zuzuordnen, und klärte mich auf. Ich erspare allen die Wegbeschreibung, die lediglich zehn Prozent des Monologs in Anspruch nahm, einhergehend mit der Geschichte Berlins, gefühlt von 1871 bis heute. Aber!

Sehr, sehr nett und seltsamerweise hing Sohnemann an ihren Lippen und lauschte ihren Worten. Ich war mehr als erstaunt.

Aus kleineren Ortschaften, wo man um Hilfe bat, war ich Entgegenkommen gewohnt. Die aktive Hilfsbereitschaft, die uns hier in DER Großstadt entgegen gebracht wurde, konnte Zufall gewesen sein, passte aber bis dato ins außerordentlich charmante Bild, welches ich von Berlin gewinnen durfte. Berlin, ick mag Dir.

Ich musste sofort an die Story von dem netten, alten Typen denken, der uns die Geschichte vom Drachen Moa auftischte. Angeblich stand dieser Drache Pate für die Namensgebung des Stadtteils Moabit. Eine Geschichte, die sich nicht wirklich belegen lässt der Vogel ziemlich exklusiv hatte. Trotzdem. Berlin, ick mag Dir.

Der Sonntag begann mit der klaren Aufteilung in zwei nach Geschlecht sortierten Gruppen. Während die Damen in den Zoo fuhren, wollten die Männer der Sippe das letzte Saisonspiel der Berliner Hertha gegen Energie Cottbus genießen sehen.

Mein Gott. Was für ein Stadionumfeld. Eventuell trugen das fantastische Wetter und die auf den Wiesen verstreuten, sich sonnenden Menschen, sowie der bereits feststehende Aufstieg der Hertha in die erste Liga einen Teil zur Atmosphäre bei, aber bei Anblick der altehrwürdigen Sportstätten im Umfeld und der Wirkung, die sie zumindest bei mir erzielten, war mir erstmals klar, warum diese Diskussion um einen anderen Finalspielort für das DFB-Pokalfinale nie wirklich chancenreich war. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass man sich des historischen Kontext bewusst ist.

Unfassbar intensiv. Ein echter Kraftplatz.

Weil mein Herr Papa ja auch nicht mehr so jut kieken kann, hatte ich Plätze in den untersten Reihen der Gegentribüne geordert, was uns einen tollen Blick ins gesamte Rund und auf die Geschehnisse des Platzes ermöglichte. Die Berliner Fans feierten sich und ihre Mannschaft mit einer Choreografie und lautstarken Sprechchören schon vor Beginn des Spiels.

Lediglich beim angestimmten Chant: „Cottbus! Cottbus! 2 .Liga! Oh ist das schön, euch nie wieder zu sehen“ war es verdächtig ruhig, vielleicht auch in der weisen Voraussicht, dass so eine Bundesligasaison recht schnell rumgehen könnte und man dann selbst auch wieder im Unterhaus kicken darf.

Das Spiel ist schnell zusammengefasst. Ich hoffe für die Berliner Hertha, dass der Auftritt der fehlenden Motivation und den heftigen Feierlichkeiten geschuldet war. Ich habe nicht viel gesehen, was mich glauben lässt, dass sich eine Mannschaft in ähnlicher Konstellation länger als ein Jahr im Oberhaus halten kann und ich halte auch wenig von dem Hauptstadt-muss-Bundesliga-Geheule und ähnlich sehen dies vermutlich 17 weitere Bundesligavereine.

Aber als ich bei den Aufstellungen den Namen Kobiashwilli hörte pochte mein kleines Fußballer-Herzchen janz, janz dolle in Anbetracht der Spielernamen, die mir plötzlich auf den Schirm gerieten.

Ali Daei für den FC Bayern München

Olaf Thon für Schalke 04

Wolfgang Feiersinger für Borussia Dortmund

Rade Bogdanovic für Werder Bremen

Jonathan Akpoborie für den VfB Stuttgart

Jürgen Rische für den 1.FC Kaiserslautern

Maurizio Gaudino für den VfL Bochum

Ansgar Brinkmann für Eintracht Frankfurt

Und dies sind nur einige der Helden, die sich mit dem gefühlt seit 30 Jahren aktiven Lewan in einer Saison das Spielfeld teilen durften.

Wo wir aber gerade bei einem Brasilianer, wenn auch einem weißen, stehen geblieben sind.

Sohn freute sich aber heute am meisten auf das einzige große Highlight eines jeden Hertha-Spiels.

Dieses optische Ideal eines brasilianischen Steuerberaters, der allerdings über einen Fuß verfügt, den der liebe Gott bei der Verteilung seinerzeit nur übrig hatte, weil es vermutlich in Brasilien so wenig Pferde gab, die man damit hätte ausstatten können.

Sohn hatte die klare, logische und selbstverständliche Erwartungshaltung, dass die Kree-Legat-Roberto-Carlos-Mischung der Copacabana mindestens ein Freistoßtor schießt. In den zwei oder drei Situationen, in denen der südamerikanische Klon Thors in Strafraumnähe zum Freistoß kam, stieg beim Sohn die Anspannung spürbar an.

Die Enttäuschung danach war aber auch groß, nachdem das Freistoßmonster mit den Geheimratsecken bis zu den Schulterblättern den ersten Strahl noch aufs Tor brachte, bei den anderen Freistößen aber eher kläglich scheiterte.

Wir diskutierten und ich versuchte Sohnemann der Illusion zu berauben, dass ein Freistoß, selbst wenn er von der Dampframme unter Zicos Erben getreten wird, eben kein Elfmeter nur aus anderer Entfernung, aber mit der gleichen Ergebniswahrscheinlichkeit, ist.

„Er steht nicht mittig zum Tor und die Mauer verdeckt zwei Drittel des Tores“, ersuchte ich den Sohn um Verständnis für die brasilianische Wuchtbrumme. Ohne Erfolg.

Viel mehr bezog sich des Sohnes Groll nun auf das Berliner Publikum.

„Die müssen das machen wie damals –

Die Mauer muss weg!

Die Mauer muss weg!“

Diese pointierte Äußerung des Sohns hatte etwas ganz besonderes. Er hatte diese bewusst gemacht und sauber platziert. Die meisten lustigen Äußerungen haut Sohnemann eher zufällig raus, wobei er dann auch sehr empfindlich reagiert, wenn ich beim Lachen nicht unmittelbar aufkläre, dass ich ihn nicht auslache, sondern seinen Witz super fand.

Ich sah sein erwartungsvolles Gesicht. Entweder er hoffte ich würde lachen oder er war sich nicht sicher, ob sein alter Herr den Witz verstanden hatte. Sein alter Herr hatte aber einige Sekunden erst einmal mit der Verwunderung zu kämpfen, die dieser meines Erachtens nach recht sportliche Gedankentransfer von Sohnemann so auslöste.

Natürlich bölkte ich dann vor Lachen, klopfte die Schenkel und prustete laut los, auch wenn dies bei meinem Dad wiederum Sorge auslöste, ob es gut ist(wäre), mich so direkt in der prallen Sonne sitzen zu lassen.

Und trotzdem war ich erstaunt. Nicht das erste Mal. Aber das erste Mal so nachhaltig.

Die erste Halbzeit plätscherte dahin. Mit der glücklichen Situation der zusätzlichen Begleitung ausgestattet, beschloss ich zur Umgehung des üblichen Getränkehol-Desasters in der Halbzeit diesmal etwas früher aufzubrechen. Sohnemann könnte bei seinem Opa verbleiben und in der Hitze gleich sicher ein kühles Getränk vertragen.

In der 40. Spielminute brach ich auf. Der einzige Getränkestand war glücklicherweise noch nicht sonderlich stark frequentiert. Zu dem sah ich drei Personen auf engstem Raum hektisch agieren. Umso verwunderter war ich, dass bei Ankunft noch kein einziges Getränk vorgezapft war. Die Stimmung schien auch schon leicht gereizt. Die Bierzapfanlage war defekt.

Haha! Ich wollte Wasser.

„Entschuldigung, ich hätte gerne ein Wasser.“

„Unsere Bierzapfanlage funktioniert nicht“, antwortete die junge Dame noch nett.

Ich verstand das Problem nicht sofort.

Mir fiel aber ein, dass ich seit Jahren in Stadien kein Bier mehr getrunken habe, mehrfach aber von der dünnen, wässrigen Plörre hörte (gehört hatte), die mittlerweile angeblich ausgeschenkt wurde. Sollte diese Entwicklung so weit vorangeschritten sein, dass der Ausfall der Bieranlage automatisch zu einem Wasserverkaufsstopp führte, weil beides ein und dasselbe ist?

Ich murmelte in mich hinein : „Unfassbar.“

Anscheinend nicht leise genug, denn die Dame neben mir sieht dies als Aufforderung, mir zu erklären, dass die Damen nichts dafür können und ich mich doch einfach mal gedulden solle. Ich könnte mich ja mal in die Situation versetzen, wie unangenehm das dann sei für die Damen. Sie arbeite schließlich auch in der Gastronomie.

„Ich möchte doch nur ein Wasser.“

„Wir brauchen noch einen Moment, wir haben Probleme mit der Bierzapfanlage.“

„Hey, kein Problem. Ich warte. Gerne. Bis zum Anpfiff. Entweder bis zum Anpfiff der zweiten Halbzeit. Oder bis zum Anpfiff der neuen Saison“, hätte ich gerne gesagt.

Ich hatte eigentlich keine Lust, dies mit der Dame zu diskutieren. Die Überforderung stand allen dreien ins Gesicht geschrieben. Eine bewegte immer wieder den Zapfhahn, begleitet von diversen Fäkalausdrücken, hin und her, die Zweite hielt sich an der offenen Geldschublade fest und teilte immer mit, dass sie wegen des Geldes nicht weg könne, die dritte machte das Chaos perfekt, indem sie völlig grundlos leere, aber benutzte Becher stapelte und neben die sauberen stellte.

Ich murmelte mein trölftes „unfassbar“, während die Dame mit den vielen Fäkalwörtern den Eindruck vermitteln wollte, man müsse diesen Zapfhahn nur vierzigtrillionen Mal hin- und herbewegen und es flösse plötzlich wieder Bier heraus. Ich entdeckte 0,5 l Flaschen mit Apfelschorle und Wasser direkt neben Frau IchhaltedieKassefest auf dem Boden der Getränkebutze.

„Entschuldigen Sie. Reichen Sie mir doch bitte einfach zwei von den Flaschen da aus der Kiste. Ich schmeiße Ihnen das Geld direkt in die Kasse.“

„Wir dürfen in Flaschen nichts verkaufen.“

Das Spiel wird wieder angepfiffen.

Die Stimmung geriet nicht ins Wanken. Die Stimmung war vollends gekippt. Mittlerweile hatten sich die Mädels auch verquatscht, dass sich wohl niemand wirklich um die Ursache des Problems kümmerte.

Frau Gastroexpertin neben mir schimpfte mittlerweile wie ein Rohrspatz, während ich dem Treiben nur noch genießend zusah.

Ein letzter Versuch.

„Wenn Sie der Wasserkiste mit Ihrem rechten Fuß einen kleinen Schubser geben (würden), würde ich mir hier zwei Becher aus den Kisten nehmen, der Kiste zwei Wasserflaschen entnehmen, diese selber einschenken und Ihnen das Geld passend geben.“

„Nein, gedulden Sie sich bitte einen Moment. Wir haben Probleme mit der Bierzapfanlage.“, erfuhr ich, während sie weiter die Kasse festhält. Produktiv wie der Berliner Flughafen im Mai 2013.

Die zwischenzeitlich imposante Schlange wurde mittlerweile deutlich kürzer. Nur der gar nicht mehr durstig dreinblickende Herthaner neben mir dürfte in etwa auf meinem Pulslevel gelegen haben.

„Weeste- wenn dat unsa größte Problem is nächstet Jahr-dann is auch jut.“

Recht hat er. Ich wartete, genoss die Sonne und die Tatsache, dass Sohnemann in guten Händen war. Mein Warten sollte belohnt werden. Und nach ca. 30 Minuten Wartezeit trägt man dann auch zwei Euro Pfand für einen Plastikbecher mit Fassung. Ich kehrte zu meinem Platz zurück.

Es lief die 60. Spielminute.

Bis auf eine rote Karte schien ich nicht sonderlich viel verpasst zu haben. Nach kurzer Lagebesprechung mit Sohnemann entschied dieser, auch noch die feierliche Übergabe der Zweitliga-Meisterschale sehen zu wollen, auch wenn es ihm nicht einleuchten wollte, dass es diese Schale überhaupt gibt.

Und so standen wir dann da, im herrlichsten Sonnenschein, die Schale wurde übergeben und der brasilianische Steuerberater spielte auf der Wiese mit seinen Kids als gäbe es nichts wichtigeres auf der Welt. Immer mehr wurde mir das Kuriosum dieses zufällig so gewählten Saisonabschlusses bewusst.

Ich stehe einen Tag nach dem Abstieg meiner Düsseldorfer Fortuna im Berliner Olympiastadion und freue mich ein klein wenig mit dem südamerikanischen Raketenfuß, während mir gleichzeitig klar wird, dass die Rebellen im kommenden Jahr montags nicht losziehen können, wegen der Schule, aber könnten, weil die Fortuna sicherlich mindestens einmal im Monat Montags-Topspiel sein wird.

Mein Freude hält sich in Grenzen, während Sohnemann das Treiben auf dem Spielfeld betrachtet und ich ein wenig die Twittertimeline der letzten Stunde nachscrolle.

Ich finde einen Tweet, der zu einem Blogpost verlinkt. Ich lese, schaue aber während des Lesens immer mal wieder kurz auf, weniger weil mich das Geschehen auf dem Rasen interessiert, sondern weil ich den gerade gelesenen Satz auch erst einmal verarbeiten muss. Und den nächsten auch. Und den darauf folgenden.

Der Ramba-Samba-Freistoßspezialist wird jetzt auf der großen Videowall gezeigt. Er liegt auf dem Rasen, während er seine Tochter durch die Luft wirbelte. Mir bleibt ein Kloß im Hals stecken. Ich weine nicht, aber ein klitzekleines bisschen berührt bin ich schon.

Nicht wegen des Zuckerhut-Donnerfußes, sondern wegen dieses Blogposts. Während ich noch gar nicht realisiert hatte, dass die Fortuna abgestiegen ist, sind andere schon wieder einen Schritt weiter. Wow!

Ich versuchte Sohn meine Gefühlslage zu erklären.

„Soll ich Dir mal vorlesen, was die Nick hier über die Fortuna schreibt?“

„Papsi, lass mich mit Deiner Fortuna in Ruhe. Ich will jetzt die Siegerehrung sehen.“

Die Sieger. Da war er wieder. Dieser Kloß.

Am nächsten Tag, nach Sealife und Co., fahren Sohn und ich alleine zurück mit dem Zug, während der Rest der Family mit Autos den Heimweg antritt.

Recht unvermittelt beginnt Sohn folgendes Gespräch:

Sohn: „Ich weiß jetzt wie du das meinst mit dem Fan sein.“

Ich: „Ich weiß nicht was du meinst.“

Sohn: „Du hast mir doch gestern versucht zu erklären, warum du Düsseldorf-Fan bist, obwohl die immer verlieren.“

Ich: „Ja und?“

Sohn: „Und du hast mir vor ein paar Wochen erklärt warum du kein richtiger Bayernfan mehr bist.“

Ich: „Ja?“

Sohn: „Weißt du noch als ich beim Aa machen so Schmerzen hatte?“

Ich: „Ja, warum?“

Sohn: „Du hast mir später gesagt, dass ich jetzt einmal weiß wie gut es ist, wenn man manche Dinge ohne Schmerzen machen kann, und dass ich da immer dran denken soll.“

Ich: „Richtig, du sollst nicht alles als selbstverständlich ansehen.“

Sohn: „So ist das auch mit dem Fan sein und mit der Gewinnerei der Mannschaft, von der man Fan ist.“

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen und ich muss ziemlich dämlich dreingeschaut haben in Anbetracht der philosophisch tiefgründigen Leistung, die Sohnemann so raus haute.

Sohn: „Hihi, du meinst, Bayernfan sein ist wie Aa machen ohne Schmerzen. Man nimmt es hin und spürt es nur, wenn es dann doch einmal wehtut?“

Ich platzte vor Stolz. Unser Projekt schien eine epische Wendung zu nehmen.

Sohn: „Nein, ich verstehe nur nicht wie man Düsseldorf-Fan sein kann. Das ist ja dann so als wenn es immer schmerzen würde beim Aa machen, und man dann trotzdem jedem sagt, es wäre toll. Dabei ist es eigentlich scheiße.“

Ich breche die weitere Darstellung des Fäkalinterviews an dieser Stelle einmal ab. Am Ende der Argumentationskette stand wie immer ein Verlierer.

Das Gespräch wechselte nochmals in diverse Richtungen, mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Perspektiven.

Unumstößlich bleibt:

Der Sohn und die Fortuna.

Das wird nix.

Ich kann es vielleicht verhindern, dass er ein Erfolgsfan wird und beim falschen Verein dann hängen bleibt, aber so ganz ohne Erfolg ist es schwer ihn zum Fortuna Düsseldorf Fan zu bekehren auf den rechten Pfad zu geleiten. Berlin. Wir kommen wieder. Mindestens noch zwei Mal. Und das sicherlich nicht nur zum Sightseeing Berlin.

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