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FC Augsburg-Fußball in Jasons Geburtsort

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FC Augsburg – 1.FC Nürnberg, 08.03.2013

„Ey Schiedsrichter, das ist doch Zeitvertreib“

(Wortklaubereien meines Sohnes nach offensichtlichem Zeitspiel der Frankfurter Eintracht gegen 1899 Hoffenheim)

Ich liebe die Fachsimpelei mit meinem Sohn wenn wir mit der „Mannschaft-für-Sohn-Findungskommission“ unterwegs sind. Man spürt ganz klar eine Entwicklung in großen Sprüngen. Auf so vielen Ebenen. Zu viele für einen Blogpost, aber wer weiß schon wohin uns der Weg noch führt und über wie viele aufregende Entwicklungen ich noch schreiben darf. Aktuell erfreue ich mich einfach daran, dass er im Stadion so viel Spaß auch am Spiel selbst zu haben scheint. Es geschieht auch heute noch, dass er der Dachkonstruktion der Arena auf Schalke Aufmerksamkeit schenkt als dem Spiel, aber das gehört dazu bei ihm.

Zwei Spiele an einem Wochenende. So lautete die klare Bedingung als Entschädigung dafür, dass ich mich in der Vorwoche nicht mit dem tödlichsten aller Schnupfenarten in einen ICE gen Norden quetschen musste.

Wieder einmal war festzustellen, dass die Spielplangestalter der DFL keinerlei Rücksicht auf unser Projekt genommen haben. Verkraftet unsere Hauptstadt es wirklich nicht, dass Union und Hertha an einem Wochenende beide daheim spielen ? Der Hamburger SV und der FC St.Pauli können nicht Samstags um 13:00 Uhr und 18:30 Uhr ein Heimspiel haben?

So versuchte ich es abermals mit einem Trick mit dem ich schon mehrfach scheiterte, dessen gelingen aber meines Erachtens nach möglich war, aus der Doppelspielnummer heraus zu kommen.

„Papsi, von welcher Mannschaft ist denn der Schiedrichter Fan?“

(Sarkastischer Sohn während Borussia Dortmund-VFL Wolfsburg kurz nach der roten Karte gegen Schmelzer.)

Kurze Rückblende.

Unmittelbar nach Feststellung des Asperger-Syndroms und der Lektüre diverser Fachmedien blickte ich natürlich auch mit anderen Augen auf die Ticks meines Sohnes. Gelernt, dass es scheinbar monotone Vorgänge gibt, die ihm enorm wichtig sind und das ihm Abweichungen von gelernten, gefestigten Routinen seelische Schmerzen bereiten. Aufzüge waren eines dieser Themen. Gab es einen – Musste der genommen werden. Egal ob dafür noch Zeit ist oder nicht. So, auch wenn dieser überhaupt nicht funktionierte. Arzttermine wurden abgesagt, weil die S-Bahnfahrt zur Hölle geworden wäre wenn wir in Gernlinden, unserem damaligen Wohnort einfach die Treppe runter zur S-Bahn gegangen wären, weil zum x-ten Male der Aufzug nicht funktionierte.

Ich konnte keine Aufzüge mehr sehen. Ich würde einfach mit ihm in der Stadt Aufzug fahren bis er keine Lust mehr hat. Wenn er anfängt zu jammern , fahren wir noch eine Stunde und schon hat er von dem Thema die Schnauze so voll, so dass er bewusst seine eigenen Regeln bricht und nicht mehr Aufzug fahren will. Ich mache es kurz. Nach vier Stunden haben wir den Aufzug erstmals kurz verlassen, weil ich durstig war. Nach weiteren fünf Stunden mussten wir abbrechen, weil ich sonst jemandem etwas angetan hätte. Jason nach neun Stunden Aufzugfahrerei: “ Schade, müssen wir schon gehen.“

Mein Sohn ist zu besonderen körperlichen Leistungen fähig , weil er anscheinend Erschöpfungszustände ausblenden kann oder einfach über einen besonderen Willen verfügt. Ich weiß es nicht. Wir sind neunStunden Aufzug gefahren ohne den Hauch eines Überreizungsandeutung. In meiner fussballerischen Karriere gab es  eine konträre Problematik. Nach fünf Minuten- Erschöpfungszustand-Nicht ausblendbar. Aber sprechen wir nicht von mir.

„Ist Mats Hummels der beste Verteidigungschef für Deutschland?“ 

(Politisch interessierter Sohn vor dem Heimspiel des BVB gegen den VFL Wolfsburg)

Eiserne Regel. Samstags und sonntags steht mein Sohn nicht vor acht Uhr auf. Es sind schließlich seine freien Tage, so dass er selbst wenn er früher einmal wach werden sollte, meist fragt wie viel Uhr es ist und dann bittet das man Ihm um 08:01 Uhr informiert, damit er endlich aufstehen kann. Diese Regeln sich zu Nutze machend schlug ich vor, dass wir bezüglich der zu absolvierenden zwei Spiele an einem Wochenende uns den FC Augsburg daheim gegen den 1.FC Nürnberg anschauen, im Anschluss nach München fahren, dort übernachten um am nächsten Morgen zeitig aufzubrechen , damit wir um 13:00 Uhr den 1.FC Köln gegen den SC Paderborn schauen können.  Sohn war begeistert.Die Falle schnappte zu.

Abseits? Wieso abseits? Der Spieler steht in der Mitte des Platzes und nicht auf der Seite. Wieso heisst dass trotzdem abseits?.

(Sohn mit Regelwerkfragen bei Fürth-HSV  die auch  CollinasErben ins Schwitzen bringen würden)

Freitag 14:00 Uhr, Aufbruch nach Augsburg, die den 1. FC Nürnberg zu Gast hatten.

Ätzend ist immer dieses kurzfristige planen. Man weiss nie so genau ob nicht am Tag zuvor eine der Regeln unsere Pläne auskontert. Die Tickets konnten erst in der Nacht zuvor geordert werden.Ich hatte noch fast die freie Wahl zwischen „sehbehindert“ und „leicht sehbehindert“. Abwechslung tut gut und wir entschieden uns für nebeneinanderliegende Plätze je einer Behinderungskategorie. Das diese Plätze (Gegentribüne Reihe 30) trotzdem 31 € und 27 € kosten ist schlichtweg eine Sauerei. Aber o.k., wer 40 € für Stehplätze auf Schalke bezahlt hat es auch nicht anders verdient und die Auswahl des Beitragsbildes, erklärt sich nun wohl auch von selbst. Ja, das war wirklich mein Sitzplatz und ich vertrete diesbezüglich die Theorie, dass der gute Mann direkt vor mir seinen Platz gezielt ausgewählt hat; nur um Woche für Woche das dumme Gesicht desjenigen zu sehen, der den Sitzplatz bezahlt hat auf dem ich es mir nun bequem machen durfte.

Neu war für mich auch , dass wir zu einem Spiel fahren wo die Sympathien bei meinem Sohn vorab schon relativ klar verteilt waren. Als gebürtiger Augsburger war für ihn wohl logisch, dass Ausgburg gewinnen muss. „Muss“ heißt in diesem Fall übrigens „M-U-S-S“ und nicht „wäre schön“. Eine neue unschöne Erfahrung, die ich da nach dem Nürnberger Führungstreffer machen durfte. Was dies in der Konsequenz des Spielverlaufs und des finalen Ergebnisses dann im Detail für unseren Besuch bedeutete beschreibe ich vielleicht in einem der nächsten Blogeinträge.

Das spannendste an Augsburg war dann noch die mir völlig unlogisch erscheinende Organisation der Straßenbahnen nach Spielende. Nicht Bundesligatauglich. Ich glaube , ich hätte für das gesamte Stadionvolk Fahrgemeinschaften gebildet, in der Zeit wo versucht wurde Straßenbahnen zu koordinieren. Unverständlich auch, der so enorm deutlich lautere Support der Nürnberger Fans. Erheiternd waren dann eigentlich nur noch die 20 vollkommen betrunkenen Fortuna Fans im ICE nach München, die Ihre Siegesstrategien für den folgenden Tag zum Besten gaben. Köstlich.

„Papsi,  Augsburg MUSS gewinnen, sonst raste ich aus.“

(Sohn sorgt für meine innere Anspannung in einem stinklangweiligem Fussballspiel. FCA-FCN.)

Die Falle schnappte nicht fest genug zu.

Um halb eins nachts in München angekommen fielen wir in die Betten. Einem Resümée des Spiels und der Probleme des Abends gaben wir keine Chance mehr. Überzeugt von der völligen körperlichen Überlastung eines 7-jährigen in Verbindung mit einer Notwendigkeit den Zug um 7:50 Uhr zu bekommen schlief ich beruhigt ein. Das wird nix.

Der Wecker in meinem Kopf plärrte. Ich hatte aber keinen gestellt.

„Papsi, Paaaaaaapsi! Papsi!“ Wir müssen aufstehen!

Halb Sieben! Der Kerl macht mich fertig. Er hatte sich sogar schon die Hose angezogen. Das hat er noch nie alleine gemacht.

Er hat sein Interesse an diesem Fussballspiel über seine festgezurrten Regeln gestellt. Ein unfassbar großer Fortschritt, der mich bei allen üblen Erlebnissen des gestrigen Abends motivierte weiter zu machen . Geduld zu haben. Nachsicht zu üben. Verständnis zu zeigen. Sich zum Obst zu machen. Zum Horst. Zum Idioten. Zu was auch immer. Das Positive überwiegt.

Unser Sohn ist geistig fit, eher überdurchschnittlich clever. Interessiert ihn ein Thema kann er sich bis ins letzte Detail hineinlesen und hineinfragen und sich ein schier ekelhaftes Wissenspaket aneignen. Schwierig ist nur diese Zwanghaftigkeit. Es gibt völlig banale Dinge, die ihm seelischen Schmerz verursachen, wenn sie nicht funktionieren oder nicht seinen Wünschen entsprechend verlaufen. Es schmerzt ja schon mich beim Zusehen. Wie muss das für ihn sein?

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1 Comment

  • der 8. Tag
    der 8. Tag

    Wie schön, dass so herrlich „nebensächliche“ Kleinigkeiten den großen Unterschied ausmachen…

    Vielleicht weil wir neben Hennes und Leiden(schaft) sonst nicht viel zu lachen haben und es trotzdem leidenschaftlich gerne tun?!

    Willkommen beim FC und…
    Wie schön, dass Ihr mindestens noch einmal in das gelobte Land wiederkehren werdet!

    Am 8. Tag schuf Gott den 1. FC Köln

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